
Marx Engels aktuell
Viele sagen, Marx und Engels – geboren zum Beginn des 19. Jahrhunderts – wären nicht mehr aktuell, weil die Zeiten eben heute ganz andere sein. Sie irren. Natürlich kannten beide noch keine Computer und hätten gestaunt über die Erfolge der Raumfahrt. Das, was sie schrieben, ist aber nicht nur wegen ihrer Methode, alles kritisch zu hinterfragen, von bleibendem Wert. Viele ihrer Äußerungen helfen uns heute Lebenden, die moderne Welt besser zu verstehen. Dem soll diese kleine Serie „Marx und Engels aktuell“ dienen. In ihr spiegelt eines unserer Mitglieder einmal im Monat aktuelle Ereignisse an Aussagen der beiden Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus.Marx und Engels zu Religion und Kirche
Gleich drei Ereignisse der letzten Wochen und Monate werfen die Frage des Verhältnisses von Marxistinnen und Marxisten zu Religion und Kirche auf. Manche Jubiläumsfeiern zur 500. Jahrestag der deutschen Bauernkriege erweckten den Anschein, es wäre damals um einen Kampf der Kräfte um den Christen Martin Luther und denen um den Christen Thomas Münzer hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Auslegung der Bibel gegangen. Der 266. Wechsel des Papstes von Franziskus zu Leo hat selbst innerhalb der kommunistischen Partei dieses Landes zu einem kleinen Streit geführt, wie sie es mit Christen und Kirche halten solle und der 39. Evangelische Kirchentag in Hannover hat gezeigt, dass diese Institution in der Friedensfrage erkennbar nach rechts rückt und damit die Frage nach der Rolle der Christen in der Friedensbewegung neu belebt.
Karl Marx und Friedrich Engels wuchsen auf in einer Zeit der Nachwehen, in denen sich in heftigsten Auseinandersetzungen die Aufklärung von den Fesseln und Geißeln der katholischen Kirche und ihrer Abspaltungen befreit und die Vernunft an die Stelle des Glaubens gesetzt hatte. Zu ihrer Zeit war die Kirche, die vor Galileo und seiner Erkenntnis das Knie beugen musste, dass die Erde eine Kugel sei, die um die Sonne kreise und folglich nicht der Mittelpunkt der Welt, eine geschlagene, aber immer noch große geistige und materielle Macht.
Weiterlesen: „… die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik...“
Die Bedeutung des Kolonialsystems für Entstehung und Erhalt des Kapitalismus
Der erste Band des Hauptwerkes von Karl Marx, „Das Kapital“ beginnt mit dem Kapitel über „Ware und Geld“ und dem Hinweis, der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrsche, erscheine als eine „ungeheure Warensammlung“[1].
In den folgenden Kapiteln wird der innere Mechanismus dieser kapitalistischen Produktionsweise analysiert. Im vorletzten Kapitel zerreißt Marx unter dem Titel „Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation“ den Irrglauben, der Kapitalismus sei durch einen Akt ökonomischer Vernunft, durch eine Art Gesellschaftsvertrag zwischen freien Menschen unterschiedlicher Stände in die Welt gekommen. Marx zeichnet die „Blutgesetzgebung“[2] nach, durch die gewaltsam Millionen Menschen von ihrem Privateigentum an Grund und Boden und eigenen Produktionsmitteln wie Werkzeugen und Vieh getrennt und in die völlige Abhängigkeit von lohnzahlenden Unternehmern hineingezwungen worden sind. Diese Abhängigkeit, die Blutspur des damaligen Schöpfungsaktes, zieht sich bis in unsere Gegenwart.
Weiterlesen: „… die Vernichtung des auf eigner Arbeit beruhenden Privateigentums...“
Zur inneren Logik der Kanzlerschaft des Friedrich Merz
Fünfzig Druckseiten widmet Karl Marx in seinem Hauptwerk „Das Kapital“ dem vorletzten Kapitel, das er er mit dem Titel „Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation“ versieht.[1] Dort verspottet er zunächst die „fade Kinderei“[2], die in dem Glauben besteht, der Kapitalismus wäre idyllisch und harmonisch auf die Welt gekommen wie die sanft im April aus dem Dreck heraus aufblühende Tulpe: „Die ursprüngliche Akkumulation spielt in der politischen Ökonomie ungefähr dieselbe Rolle wie der Sündenfall in der Theologie. Adam biß in den Apfel, und damit kam über das Menschengeschlecht die Sünde. Ihr Ursprung wird erklärt, indem er als Anekdote der Vergangenheit erzählt wird. In einer längst verfloßnen Zeit gab es auf der einen Seite eine fleißige, intelligente und vor allem sparsame Elite und auf der andren faulenzende, ihr alles und mehr verjubelnde Lumpen. … So kam es, dass die ersten Reichtum akkumulierten und die letztren schließlich nichts zu verkaufen hatten als ihre eigne Haut.“[3] Obwohl sich diese Mär – beispielsweise in der von Max Weber beeinflussten Lobpreisung des Protestantismus als dem von Gott gesegneten Anlasser der kapitalistischen Reichtumsmaschinerie – zum Teil bis heute hält, hat dieses vierundzwanzigste Kapitel des „Kapital“ großen Anteil daran, dass die meisten kapitalistischen Apologeten von heute für die Geschichtslosigkeit beten und darum bitten, doch die Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen, schließlich sei die Gegenwart schwer genug. Aber die Vergangenheit ist nicht tot. Sie ist noch nicht einmal vergangen. Sie lebt in der Gegenwart weiter.
Robert Steigerwald zum 100. Geburtstag
Diesmal weichen wir ab von der Regel, dass ein Mitglied des amtierenden Vorstandes der Marx-Engels-Stiftung die monatliche Rubrik „Marx Engels aktuell“ füllt. Wir geben unserem im Juni 2016 verstorbenen Ehrenvorsitzenden Robert Steigerwald das Wort. Er wäre am 24. März 100 Jahre alt geworden. Über seinen Tod hinaus hat er wie nur wenige andere die strategischen Debatten der an Marx und Engels orientierten Kräfte in der Bundesrepublik Deutschland mit geprägt.
Geben wir ihm also aus einem seiner letzten Bücher das Wort zu einem der auch heute noch drängendsten Probleme, nämlich zu dem der Mobilisierung der Arbeiterklasse für ihre eigenen Interessen. Das im folgenden Geschriebene stammt aus dem Buch „Wirkliche und konstruierte Marxismusprobleme“[1] Im Vorwort schreibt er zu sich selbst: „Ich bin seit 1945 in der Arbeiterbewegung organisiert, während der ersten beiden Jahre in der SPD, in der folgenden Zeit in der kommunistischen Partei unseres Landes. In all den Jahren, auch schon in meiner SPD-Zeit, habe ich mich darum bemüht, mir Marxismus anzueignen, und habe rasch begriffen, dass Marxismus eine Theorie ist, die Handlungsanleitungen für die Veränderung der Welt bereitstellt. Anders formuliert: Das Studium des Marxismus war für mich keine Volkshochschulangelegenheit. Einleuchtend ist auch, dass solches Verändern-Wollen dem Einzelkämpfer nicht gelingen kann, er sich also organisieren muss.“[2]
Weiterlesen: „… den elenden Charakter dieser Aneignung aufheben...“
Marx und Engels, Demokratie und Parlamentarismus
Anläßlich der peinlichen Selbstbeweihräucherungsfeiern zum 175. Jahrestag des Zusammentretens der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt am Main hatte die Marx-Engels-Stiftung auf dieser Web-Site im Juni 2023 auf die zunehmende Skepsis gegenüber dem ganzen parlamentarischen Getöse hingewiesen, das sich in Deutschland ausbreitet. Diese zunehmende Distanz zum Parlamentarismus, so formulierte damals Arnold Schölzel an dieser Stelle, läge „an der Grundkonstellation des bürgerlichen Parlamentarismus, der die Klassenherrschaft des Kapitals vor allem verhüllen soll, niemals aber gefährden darf. Die Mehrheit der Bevölkerung ahnt das mindestens und ist nicht davon abzubringen, dass die Wahrheit der proklamierten Demokratie im kapitalistischen Alltag liegt.“
Friedrich Engels’ Kritik der „Gewaltstheorie“
In der zweiten Hälfte der 1870er Jahre entwickelte sich die deutsche Sozialdemokratie zur stärksten Partei der damals noch jungen Arbeiterbewegung in Westeuropa und wurde zum ideologischen Kampffeld verschiedener politischer Strömungen. Schon mit Beginn jenes Jahrzehnts wuchs außer- und auch innerhalb der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei der Einfluß des in Berlin lehrenden Professors Eugen Dühring. Der Herr – Sproß einer preußischen Geheimsekretärs-Familie – erhob den ausdrücklich gegen die „Partei Marx“, wie sie damals oft genannt wurde, gerichteten Anspruch, eine umfassende neue Theorie der Philosophie, der politischen Ökonomie und des Sozialismus geschaffen zu haben.
Weiterlesen: „Der Militarismus beherrscht und verschlingt Europa.“
Studientage zur Klimakrise
Vom 22. bis 24. November führten die Sozialistischen Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) und die Marx-Engels-Stiftung (MES) in der Jugendherberge Hannover gemeinsam „Studientage zur Analyse und Bewältigung der Klimakrise“ durch.
Als der erste gemeinsam von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern vorab studierte „Basistext“ diente die Arbeit von Friedrich Engels zur „Dialektik der Natur“ und hier insbesondere der Abschnitt zum „Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen“[1] Am bekanntesten aus diesem Werk ist die Aussage: „Und so werden wir bei jedem Schritt daran erinnert, dass wir keineswegs die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand, der außer der Natur steht – sondern daß wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehn, und daß unsre ganze Herrschaft über sie darin besteht, im Vorzug vor allen andern Geschöpfen ihre Gesetze erkennen und richtig anwenden zu können.“[2] Das ist der eine Ankerpunkt jedes an Marx und Engels orientierten Herangehens an die Debatten um die gegenwärtige Gefährdung unserer natürlichen Lebensgrundlagen.
Anmerkung zu geschichtlichen Wiederholungen, Farcen und Pervertierungen
Zu den bekanntesten Zitaten von Karl Marx gehören die einführenden Sätze seiner Arbeit „Der 18te Brumaire des Lous Bonaparte“[1]. Dieses Werk – in gewisser Weise eine Fortsetzung der „Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850“[2] – beinhaltet eine glänzende Analyse der Hauptetappen der 1848er Revolution in Frankreich und die Aufdeckung der Triebkräfte des konterrevolutionären Staatsstreichs von Louis Bonaparte. Es ist darüber hinaus unentbehrlich für jeden, der von der Oberfläche der politischen Verlautbarungen von Parteien eindringen will in das Wesen politischer Prozesse bürgerlicher Gesellschaften.
Seine Analyse beginnt Marx mit folgenden Sätzen: „Hegel bemerkt irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce. Caussidière für Danton, Louis Blanc für Robespierre, die Montagne von 1848-1851 für die Montagne von 1793-1795, der Neffe für den Onkel. Und dieselbe Karikatur in den Umständen, unter denen die zweite Auflage des achtzehnten Brumaire herausgegeben wird.“[3]
Zur Aktualität von Engels Streitschrift „Zur Wohnungsfrage“
Am 18. September teilte das Statistische Bundesamt mit, daß sich die Talfahrt bei den Baugenehmigungen weiter fortgesetzt habe. Im Juli seien nur noch 17.000 Baugenehmigungen für neue Wohnungen erteilt worden und damit 19.2. Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Das war der 27. Rückgang von Baugenehmigungen in Folge. Trockener Kommentar des Hauptgeschäftsführers der Deutschen Bauindustrie, Tim Oliver Müller: „Wir haben mittlerweile wieder das Genehmigungsniveau von Februar 2012 erreicht.“ Am stärksten schlagen bei den Rückgängen der Bautätigkeit die bei Wohnungen in Mehrfamilienhäusern zu Buche – also die für Mietwohnungen. Die im Wahlkampf vor allem von der SPD vollmundig angekündigte Bauoffensive zur Senkung der Mieten in Deutschland, die sich dann in der Zahl von 400.000 Wohnungen pro Jahr im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung niedergeschlagen hat, ist kläglich gescheitert.
Weiterlesen: „…dass … kleinere Wohnungen selten und teuer werden und oft gar nicht zu haben sind…"
Einige aktuelle Hinweise zur Entwicklung der Partei der Arbeiterklasse
Schon in der Geburtsurkunde der kommunistischen Partei, dem „Kommunistischen Manifest“ betonen Karl Marx und Friedrich Engels zu Beginn ihrer wissenschaftlichen und politischen Tätigkeit 1848 die Notwendigkeit der Herausbildung einer eigenständigen kommunistischen Partei, die den Anspruch hat, „theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus (zu haben).“[1]
Beide haben keine in sich geschlossene Parteitheorie zu Papier gebracht. Verstreut in ihrem Werk findet sich in den folgenden Jahrzehnten aber eine Fülle von nützlichen Hinweisen für Mitglieder von Parteien, die sich für ihr Wirken auf die Arbeiten dieser beiden berufen.
- „Auch das deutsche Volk hat seine revolutionäre Tradition."
- „… organisiert durch die Kommunalverfassung..."
- „Wie schändlich das Vorgehen ... auch immer sein mag..."
- „Die Zehnstundenbill war … der Sieg … der politischen Ökonomie der Arbeiterklasse.“
- Von wegen „zweite Violine“
- „… mit natürlichen Blutflecken auf einer Backe…“
- „… wenigstens im Prozeß ihres Werdens…“
- „… behaftet mit den Muttermalen der alten Gesellschaft…“
- „… Zeuge eines eigentümlichen Wiedererwachens politischer Aktivität…“
- „… Versöhnung der Menschheit mit der Natur…“
- „… der Mann der Wissenschaft“
- "… daß die nächste Erhebung der Völker Europas…"
- "In diesem Kriege Aller gegen Alle … besteht das Wesen der heutigen bürgerlichen Gesellschaft."
- "... lächerlich ... und dabei so erfüllt von ihrer eigenen Wichtigkeit..."
- „Dass der heutige Staat der Wohnungsplage weder abhelfen kann noch will…“
- „Die ganze Scheiße soll zerfallen…“
- „Proletarier aller Länder …“
- „Kann Europa abrüsten?“
- „Sie setzt die Entwicklung geistiger und materieller Bedingungen voraus…“
- „… wäre nicht alles Privateigentum Diebstahl?“
- Gattungsvermögen, Kooperation und die kommenden Streiks
- „… in militärischer Hinsicht vielleicht nützlich…“
- „…materielle Kräfte mit geistigem Leben ausstatten und das menschliche Leben … verdummen“
- „… Steigerung der Lohnrate … Warenpreise zu beeinflussen“
- „… wichtiger als ein Dutzend Programme“
- „… wieder als Eins mit der Natur“
- „eigentliche Aufgabe … die Herstellung des Weltmarkts“
- Sanktionen – oder: „Eine Ware … ein sehr vertracktes Ding…“
- Wir sind nicht Eigentümer der Erde - sondern nur ihre Nutznießer
- Je ein Kapitalist schlägt viele tot.